Aktuelle Rechtssprechung
Auf Grund des Auftretens der COVID-19-Pandemie kam es in den Jahren 2020 und 2021 zu zahlreichen staatlich angeordneten Schließungen von Geschäftslokalen mit Publikumsverkehr. Betroffen waren zu meist gastronomische Geschäfte und Dienstleister, teilweise aber auch Fachgeschäfte, in denen keine Waren täglichen Bedarfs veräußert wurden.
Mit Urteil vom 12.01.22 hat der Bundesgerichtshof nunmehr zum Aktenzeichen 12 ZR 8/21 zu den rechtlichen Folgen einer solchen staatlich angeordneten Schließung eines Geschäftslokals Stellung genommen.
Gegenstand der Entscheidung war ein Urteil des OLG Dresden bezüglich des Textileinzelhandelsgeschäftes der Firma KiK. Das Oberlandesgericht Dresden ist davon ausgegangen, dass während der Schließung des Textilgeschäftes die Mieterin nur verpflichtet sei, die halbe Miete zu zahlen, eine Anpassung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB sei insoweit erforderlich.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12.01.22 klargestellt, dass die behördliche Geschäftsschließung allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr anschließt. Durch die Allgemeinverfügung wird dem Mieter allerdings die Nutzung der gemieteten Geschäftsräume weder tatsächlich noch rechtlich verboten. Das Mietobjekt steht daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung, so dass nicht vom Vorliegen eines Mangels im Sinne des § 536 BGB auszugehen sei.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings klargestellt, dass grundsätzlich eine Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB erforderlich sei. Insoweit nahm der BGH auch auf die neu geschaffene Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB Bezug. Die Regelung ist zum 01.01.21 in Kraft getreten. Die Regelung vermutet, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wenn durch staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie der Geschäftsbetrieb eingeschränkt wird.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes erfordert allerdings die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage eine umfassende Prüfung des Einzelfalles. Die vom Oberlandesgericht Dresden vorgenommene pauschale Betrachtung, dass nur die halbe Miete zu zahlen sei, überzeugte den Bundesgerichtshof nicht.
Im Einzelfall muss geprüft werden, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung auf Dauer entstanden sind. Hierbei ist der konkrete Umsatzrückgang zu berücksichtigen und zu prüfen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste zu vermindern. Bei der Frage, ob eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, ist auch zu berücksichtigen, dass ggf. durch staatliche finanzielle Hilfen die Verluste des Mieters ganz oder teilweise ausgeglichen wurden. Zu prüfen sei darüber hinaus, ob Leistungen durch eine Betriebsversicherung geflossen sind und schließlich müsste auch eine Abwägung der Interessen des Vermieters erfolgen.
In der Praxis bedeutet dies, dass selbst dann, wenn eine Schließungsanordnung ergangen ist oder in Zukunft ergehen wird, es im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles abhängt, ob und in welchem Umfange eine Anpassung der Geschäftsgrundlage durch Reduzierung der Miete zu erfolgen hat. Auf Grund der Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofes wird deutlich, dass in jedem Falle zumindest die halbe Miete zu zahlen ist, da nach Auffassung des Bundesgerichtshofes das durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie einhergehende Risiko keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden kann.
Seit dem 15.04.2021 liegt die Entscheidung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichtes vom 25.03.2021 zum Berliner Mietdeckel vor.
Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
"Das Grundgesetz enthält ‑ von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen ‑ eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Das Grundgesetz grenzt die Gesetzgebungskompetenzen insbesondere mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge durchweg alternativ voneinander ab.
Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht." (2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20)
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum als Teil des sozialen Mietrechtes in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das Bürgerliche Recht fallen.
Der Gesetzgeber hat in den §§ 556-561 BGB von seiner Zuständigkeit für das Mietpreisrecht Gebrauch gemacht. Aufgrund der hierdurch eingetretenen Sperrwirkung verbleibt für die Regelung zur Miethöhe im MietenWoG Bln kein Raum.
Das Land Berlin hat dementsprechend keine Gesetzgebungskompetenz, so dass zu erwarten ist, dass es keine Neuauflage des MietenWoG Berlin geben wird.
Teilweise hatten die Vermieter bei Neuvermietung von Wohnraum zwei Beträge im Mietvertrag aufgenommen. Einen Betrag, der zu zahlen war und dem MietenWoG entsprach, und einen weiteren Betrag für den Fall, dass das MietenWoG verfassungswidrig ist. Letztgenannten Betrag müssen die Mieter nun zukünftig zahlen und auch die Differenz zwischen den zwei Beträgen für die Vergangenheit.
Haben die Vermieter auf Grund der Regelung in § 3 des MietenWoG Mieterhöhungsbeträge oder Beträge aus Staffelmietvereinbarungen nicht geltend gemacht, können sie diese nun rückwirkend nachfordern.
Sofern nach § 5 MietenWoG überhöhte Mieten abgesenkt wurden, müssen die Mieter für die Zukunft die ursprünglich vereinbarte Miete zahlen. Die Beträge, um die die Miete für die Vergangenheit abgesenkt wurde, müssen nachgezahlt werden.
Wegen der vorgenannten rückständigen Beträge befinden sich die Mieter derzeit noch nicht in Zahlungsverzug. Die Mieter haben in der Vergangenheit zu Recht diese Beträge einbehalten. Nunmehr ist der Grund dafür entfallen. Zahlungsverzug besteht erst dann, wenn der Vermieter den Mieter zur Zahlung auffordert.
Am 27.03.20 wurde im Bundesgesetzblatt das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.20 veröffentlicht.
In Artikel 5 § 1 des Gesetztes wird Verbrauchern und Kleinstunternehmern das Recht eingeräumt, die Leistung im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen (Mietverhältnisse sind nicht betroffen!) zu verweigern.
Am 23.02.2020 ist das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) in Kraft getreten.
Bezüglich der Verfassungsgemäßheit des Gesetzes und dementsprechend seiner Geltung wie auch bezüglich der Auslegung sind die gerichtlichen Entscheidungen abzuwarten. Nach Auswertung der Literatur kann ich Ihnen folgende unverbindliche Handlungsempfehlung geben:
Mit Beschluss vom 18.07.19 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Vorschriften zur sog. Mietpreisbremse verfassungsgemäß sind.
Im September 2018 wurde vom Bundeskabinett das sog. Mietrechtsanpassungsgesetz beschlossen. Das Gesetz tritt am 01.01.19 in Kraft.
In § 556g BGB wird ein Absatz 1 a) eingefügt, wonach der Vermieter verpflichtet ist, den Mieter über die Vormiete zu informieren. Die Auskunft muss vor Vertragsabschluss erfolgen ohne dafür personenidentifizierende Daten zu verwenden.
Die tatsächliche Wohnfläche ist maßgebend.
Die Wohnfläche spielt im Mietvertragsverhältnis an drei Stellen eine wesentliche Rolle, bei den Mieterhöhungen zur Anpassung an die ortsübliche Miete gemäß § 558 BGB, bei Mieterhöhungen nach Modernisierung gemäß § 559 BGB und bei der Abrechnung der Betriebskosten.
Ist bei einem Wohnraummietverhältnis der Mieter verstorben, so sind grundsätzlich zwei verschiedene Fallkonstellationen denkbar.
Zum einen ist es möglich, dass ein so genannter Berechtigter im Sinne des § 563 BGB zum Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters mit in der Wohnung lebte. In Betracht kommen hier Ehegatten, Kinder oder Lebenspartner, die zusammen mit dem nunmehr verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Haushalt führten.
Bei Gewerbemietverträgen, die für längere Zeit als ein Jahr fest abgeschlossen werden, müssen alle wesentlichen Vertragsinhalte der Schriftform entsprechen. Gibt es mündliche Abreden, so liegt ein Verstoß gegen § 550 BGB vor, mit der Folge, dass jede Vertragspartei das Vertragsverhältnis fristlos kündigen kann.
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